Mit den jungen Flüchtlingen arbeiten. Und nicht gegen sie.

Die Flüchtlingspolitik in Bremen stößt an ihre Grenzen. Die Messehallen werden hergerichtet. Als Notunterkünfte für erwachsene Flüchtlinge. Und auch im Frauengefängnis in Oslebshausen werden Tatsachen geschaffen. Zäune sind mit Planen abgedichtet worden. Aus dem Frauengefängnis wird zum Teil eine geschlossene Jugendhilfeeinrichtung für auffällig gewordene minderjährige Flüchtlinge, so wie der Senat es beschlossen hat. Die Kritik vieler (wie z.B. der Bundesfachverband Unbegleitete Minderjähriger Flüchtlinge e.V., der Kriminalpolitische Arbeitskreis Bremen, die Wohlfahrtsverbände in Bremen), wird damit ignoriert, auch meine. „Einsperren ist keine Lösung“, so habe ich mich am 8. Februar 2015 im Interview im Weser Report positioniert und Argumente geliefert, wie es anders gehen sollte.

Sind die Jugendlichen tatsächlich kriminell? Oder sind sie nur auffällig in ihrem Verhalten, wie andere Jugendliche auch? Fakt ist: Es gibt junge Flüchtlinge, die Türen demolieren und Geld klauen. Oft unter Drogeneinfluss. Wie manch andere Jugendliche auch. Aber: Müssen wir sie deshalb gleich wegsperren? Und damit kriminalisieren? Nur zur Erinnerung: Als „kriminell“ gilt in einem Rechtstaat nur jemand, der auch vor einem Gericht rechtskräftig verurteilt wurde. Bremer Jugendrichter haben das in einzelnen Fällen auch getan. Auf der Grundlage des Jugendstraftrechts. Also jugendstraftrechtliche Maßnahmen dort, wo Straftaten rechtskräftig nachgewiesen sind.

Bremen kommt seit Jahrzenten ohne eine geschlossene Einrichtung nach dem Jugendhilfegesetz aus. Denn geschlossene Jugendhilfeeinrichtungen sind pädagogisch nicht sinnvoll. Wir wissen aus der Vergangenheit, das Wegsperren keine Probleme löst, sondern eher neue Probleme schafft. In geschlossenen Heimen gilt nach wie vor das Recht des Stärkeren, dass hat uns die Bremer Heimgeschichte gelehrt. Der Stärkere siegt über den Schwächeren. Es wird unterdrückt, und sei es nur, wer zuletzt die Dusche benutzen darf. Auch körperliche Gewalt ist nicht ausgeschlossen.

In der Debatte um den Umgang mit den jungen Flüchtlingen muss es uns daher darauf ankommen, immer vom einzelnen Menschen auszugehen. Wir reden hier nicht von einer ethnisch in sich geschlossenen Gruppe. Keine feste Clique, die nach Medienberichten die Stadt drangsaliert. Sondern: Es geht um einzelne Schicksale. Um junge Menschen, die aus Algerien oder Marokko flüchten. Warum flüchten sie? Was ist ihr Antrieb? Sind sie nicht schlicht auf der Suche nach einem besseren Leben?

Sozialromantik greift hier zu kurz. Aber: Was passiert mit diesen jungen Flüchtlingen, wenn sie – oft unter Drogeneinfluss – auffällig sind und plötzlich hinter solch verschlossenen Türen sitzen? Lassen sie dann ihren Therapeuten in ihre Zelle, sind gesprächsbereit und sind plötzlich unbekümmerte und lernwillige Jugendliche? Nein. Das ist eine Idee, die jeder pädagogischen Grundüberzeugung widerspricht. Bremen rückt so von seiner Linie ab, Jugendlichen zu helfen, ohne sie wegzusperren.

Siehe das Beispiel Hamburg. Das geschlossene Heim in der Feuerbergstrasse wurde 2008 dicht gemacht. In der Konsequenz, dass dort Matratzen in Flammen aufgingen und klar wurde, dass eine geschlossene Einrichtung weit mehr Geld kostet, als eine intensive pädagogische Betreuung ohne geschlossene Türen. Die pädagogische Überzeugung ist einfach die, mit den jungen Menschen zu arbeiten und nicht gegen sie.

Für mich als Sozialpädagogin und Bürgerschaftsabgeordnete ist diese Art der „Fürsorge“ ein Dammbruch. Was wir brauchen ist eine intensive Betreuung durch Fachleute. Und zwar so, wie wir es bisher auch gemacht haben. Mit Jugendlichen, die bei uns aufgewachsen und auffällig geworden sind. Wir brauchen also Fachleute, die die Mentalität der Jugendlichen verstehen und ihre Sprache sprechen. Information, Beratung und Beteiligung der Jugendlichen, Unterbringung nach den Möglichkeiten der Jugendhilfe, medizinische und therapeutische Angebote, Beschulung, Ausbildung und rechtliche Vertretung: Arbeit mit den Menschen steht im Vordergrund. Mit allen seinen Rückschlägen.

Es ist zudem eine Illusion zu glauben, dass jeder auffällig gewordene Flüchtling aufgefangen werden kann. Und denken wir daran, es handelt sich hier nur um wenige Jugendliche von mittlerweile fast 1000 unbegleiteten jungen Flüchtlingen in Bremen.

Posted by:

Susanne Wendland

Leave A Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked (required):

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Back to Top