Der Mindestlohn darf kein Rohrkrepierer werden. Arbeitszeitdokumentation nicht aufweichen!
Arm trotz Arbeit. Das gilt für viele, egal ob sie als Frisörin oder Kellner arbeiten. Deshalb war für mich der Jahreswechsel ein guter. Seit dem 1. Januar 2015 gilt bei uns ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro. Für mich war das längst überfällig.
Mehr und mehr aber wird der Mindestlohn untergraben. Beispiel: Zehn Stunden wird gearbeitet, acht Stunden werden aber nur bezahlt. Allerdings ist die Arbeitszeit zu dokumentieren und deshalb verwundert es mich nicht, dass sich die Beschwerden gegen diese Arbeitszeitdokumentation häufen. Sie sei ein Bürokratiemonster. Gemeint ist die in § 17 des Mindestlohngesetzes enthaltene Pflicht zur Dokumentation der Arbeitszeit für die Branchen, in denen Schwarzarbeit besonders verbreitet ist.
Experten sind ebenfalls verwundert über diese Monster-Argumentation. Denn diese Dokumentationspflicht ist keineswegs eine neue Erfindung der schwarz-roten Bundesregierung. Bereits § 16 Abs. 2 des Arbeitszeitgesetzes vom 6. Juni 1994 verpflichtete die Arbeitgeber zur Dokumentation von Arbeitszeiten, falls Überstünden anfallen.
Woher also plötzlich die Aufregung? Zumal das Mindestlohngesetz lediglich vorgibt, Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit zu erfassen. Und das ist nicht allein Chefsache. So etwas lässt sich auch delegieren. Ein Akt von vielleicht täglich 20 Sekunden für die Mitarbeiterin oder den Mitarbeiter!?
Die Klagen über die Dokumentation folgen durchaus einer Strategie. Denn das Risiko ist gestiegen, dass die „Finanzkontrolle Schwarzarbeit“, also der Zoll an der Gaststättentür klingelt. Der hat mit Einführung des Mindestlohngesetzes zusätzliches Personal erhalten, um zu kontrollieren. Werden entsprechende Verstöße festgestellt, drohen den Arbeitgebern seit diesem Jahr empfindliche Bußgelder. Und selbstverständlich kann der Zoll ohne einen Nachweis über die Arbeitszeiten der Beschäftigten schlichtweg nicht kontrollieren, ob die Stundenlöhne über oder unter 8,50 Euro liegen. Oder erfahren, ob die Menschen viel zu viele Stunden abreißen müssen. Zur Durchsetzung des Mindestlohngesetzes ist daher eine Arbeitszeitdokumentation unumgänglich.
Wer sich schon immer an die gesetzlichen Vorgaben gehalten hat, braucht sich natürlich keine Sorgen machen. Branchenvertreter wie beispielsweise der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) sprechen daher auch immer nur von schwarzen Schafen. Man dürfe nicht eine ganze Branche in Misskredit bringen. Ich bin mit einem Gewerkschafter befreundet und der hat mir von einem Dialog erzählt, der seiner Meinung nach symptomatisch für die Mehrzahl der Arbeitgeber im Gastgewerbe ist:
Gastronom: “Mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro haben wir kein Problem, da wir uns schon immer an die gültigen Tarifverträge gehalten haben. Aber die tägliche Dokumentation der Arbeitszeiten ist ein Bürokratiemonster.”
Gewerkschafter: “Aha, wie haben Sie denn dann in der Vergangenheit die Überstunden erfasst und eine korrekte Entgeltabrechnung mit den tariflichen Überstundenzuschlägen erstellt?”
Gastronom: “Ähm, naja… .”
Mein befreundeter Gewerkschafter ist als Gewerkschaftssekretär beratend tätig. Und er hat mir erzählt, dass es die absolute Ausnahme sei, wenn ein Beschäftigter aus dem Gastgewerbe die Überstunden korrekt inklusive Zuschläge abgerechnet bekommt. Und genau hier liegt des Pudels Kern. Für die viele Arbeitgeber im Gastgewerbe ist es der Normalfall, dass Beschäftigte entweder unbezahlte Überstunden machen müssen oder Überstunden in bar, also schwarz ausgezahlt werden. Die tatsächlichen Stundenlöhne, selbst die von Fachkräften, bewegen sich daher häufig im Niedriglohnbereich. Für viele Betriebe sind die damit eingesparten Personalkosten Teil ihres Geschäftsmodells, während es für die Beschäftigten andersherum niedrigste Stundenlöhne, überlange Arbeitszeiten, Arbeitshetze, geringe Freizeit und fehlende Zukunftsperspektiven bis zur Rente bedeutet.
Was mich als Sozialpolitikerin zornig macht. Deswegen müssen wir an der Arbeitszeitdokumentation festhalten, damit der Mindestlohn kein Rohrkrepierer wird!
Also, wählt mich. Am 10. Mai, mit Euren 5 Stimmen. Platz 31 – Liste 02.
Eure Susanne
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